Im Dienste der Wissenschaft
Man kann es sich heute nicht mehr vorstellen, aber vor grauen
Urzeiten - so ungefähr zwischen der Ausrottung der Neanderthaler und dem
letzten Golfkrieg - gab es in der Überzahl der menschlichen Behausungen
keine persönlichen Computer. Selbst hochintelligente Menschen betrachteten
solche Geräte wie etwas aus zumindestens einer achten Dimension und die
vereinzelten Besitzer eines solchen schienen von einer mystischen Aura umgeben
und mit einem superdimensionalem Gehirn ausgestattet. Die Gesellschaft stand
jedem, der fähig war, die geheimnisvolle, unbegreifliche Maschine anzuschalten,
in tiefer Ehrfurcht gegenüber. In Amerika galten solche Genies als 'Nerds',
was manchmal spöttisch gemeint war, aber nur von Neid zeugte. Von den Computern
selber glaubten die gewöhnlichen Sterblichen, daß sie praktisch alle
Geheimnisse der Natur und alles Wissen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
in sich bargen. Man nannte sie respektvoll die 'elektronischen Gehirne'. Heute
nennt man sie verärgert 'Hohlkopf' oder ähnliches, wenn sie mal wieder
versagen oder aus unbegreiflichem Grunde eine Fehlermeldung geben, da sie durch
irgendetwas für Sterbliche Unverständliches beleidigt sind. Jedenfalls,
die Pioniere der Anfangszeiten wußten mit primitivsten Mitteln (den damals
äußerst unhandlichen Programmiersprachen) in das Innere dieser Geräte
einzudringen und aus ihnen wichtige wissenschaftliche Informationen zu melken.
In Folge ihrer geduldigen gehirnzerreibenden Schwerstarbeit, ist der Computer
heute ein Gerät, das in keinem Haushalt mehr fehlen darf und so mancher
Mitbürger hat bereits die ausführlichen Erklärungen seiner Kinder
oder Enkel verstanden und ein großer Teil wagt sich sogar in das Bereich
des Internets vor. All das Dank diesen Pionieren!
Und ich gehörte zu ihnen!
So sei mir gestattet, bescheiden über diese Pioniersärea zu berichten:
Ich stehe in meinem Wohnzimmer. Auf dem Boden steht ein großer
leerer Karton und auf dem Tisch:
... Ein Computer! ICH bin der Besitzer eines Computers! EINES COMPUTERS!
Man muß mir zugestehen, daß in meinem äußerlichen Auftreten
nicht die geringste Veränderung zu bemerken ist: Ich lege weiterhin Wert
auf bescheidene und reservierte Haltung, die Atmosphäre meiner Wohnung
jedoch ist niveaugemäß gestiegen: Machte sie bis jetzt den Eindruck
des unwichtigen, glanzlosen Lebensraums eines geschiedenen Junggesellen, haftet
ihr jetzt der Nimbus eines wissenschaftlichen Institutes an, und in meinem Kopf
spielen sich Dinge ab, welche für den gewöhnlichen Sterblichen unverständlich
sind.
Momentan allerdings auch mir. Aber es genügt, diesen Wunderapparat zu besitzen,
um den in ihm verborgenen Geheimnissen meßbar näher zu sein. Ich
habe plötzlich das väterliche Verlangen, meinen Sohn anzurufen, um
mich über sein Empfinden und andere Aspekte des Familienlebens zu erkundigen,
welche mich immer äußerst interessieren. Am Schluß werde ich
vielleicht auch etwas über meine neue Erwerbung erwähnen.
Meine Schwiegertochter antwortet.
"Ah, guten Tag, Papa!"
"Ich habe einen Computer gekauft!"
"Oh, wie aufregend! Alon dein Papa hat einen Computer gekauft!"
Mein direkter Nachkomme übernimmt das andere Ende: "Wofür brauchst
du das?"
"Wofür! Na gut, wenn du davon keine Idee hast..." ärgerlich
lege ich den Hörer nieder. Mein eigenes Fleisch und Blut und fragt so eine
unintelligente Frage! Jede einigermaßen gebildete Person weiß, daß
solch ein Gerät ein unentbehrliches Werkzeug unserer Epoche ist. Es erhebt
seinen Besitzer weit über das Niveau seiner Mitmenschen. Mit seiner Hilfe
ist es möglich, die kompliziertesten Probleme zu lösen. Man kann zum
Beispiel... alle Probleme lösen.
Nachdem ich längere Zeit zur See verbracht habe, gebührt mir ausreichend
Urlaub, um dieses geheimnisumwitterte Produkt der modernen Wissenschaft ausgiebig
bis in seine inneresten Eingeweide zu studieren. Die Mannschaft meines nächsten
Schiffes wird mich zumindest als Halbgott respektieren. Natürlich werde
ich sie nicht auf direktem Wege über meinen neuerworbenen Status informieren.
Die Leute respektieren Zurückhaltung und Bescheidenheit, aber man kann
immer schon mal so eine Bemerkung einwerfen wie "gemäß meinen
letzteren Computerberechnungen..." Auch bei meinen Nachbarn wird sich das
langsam herumsprechen, so daß mein Ruf sich in unserer kleinen Stadt langsam
verbreiten wird.
Der Mann, der mir das Gerät nach Hause brachte, baute alles zusammen, schaltete
an und fragte mich nebenbei, für was ich es hauptsächlich verwenden
würde "Programmieren, Textverarbeitung, Spiele...?"
Spiele! Für was hält er mich! Ich wähle eins von den anderen
Dingen: "Programmieren!"
"Welche Sprache?"
Es kann nichts schaden, etwas Eindruck zu machen. "Meistens Chinesisch!"
antworte ich lässig.
Er schaute mich Überrascht an. Das hat ihn hingehauen!
"Haha, sehr witzig! Auf alle Fälle die Basicsprache ist schon drin.
Alle anderen müssen Sie extra kaufen."
Ich fühlte mich etwas ungemütlich. Das ging etwas zu schnell. Aber
bald fasste ich mich.
"Basig ist in Ordnung!"
Er fummelte etwas auf dem Tablett mit den Buchstaben herum und sagte schließlich
"da ist es; wenn was nicht klar ist, rufen Sie mich an!" Damit ging
er.
Ich schaue fasziniert auf den Bildschirm. Er hat sich verwandelt. Ganz oben
steht 'GWBASIC' und noch ein paar Worte und Nummern; darunter lese ich:
60300 BYTES FREE
OK
Unter alle dem blinkt ein Strich. an - aus - an - aus, ohne Unterlaß und
ich betrachte das alles andächtig. Hier endlich habe ich vor mir alle Geheimnisse
des Universums. Ich brauche nur zu fragen - das nennt man Programmieren - und
der Computer wird antworten.Wollen wir uns mal an unser erstes wissenschaftliches
Programm machen. Zum Anfang etwas Einfaches. Ich tippe:
"Was meinte Kennedy, als er erklärte 'Ich bin ein Berliner!'"
Ich warte. Nach fünf Minuten ist noch keine Antwort da. Diese Frage scheint
doch komplizierter zu sein, als es dem Anschein nach aussieht. Wenn ich mir
richtig Überlege, kann der Präsident damit gemeint haben, daß
er in Berlin geboren sei oder aber auch, daß er sich wie ein Berliner
fühlt oder irgendein anderer Doppelsinn. Der Computer muß jetzt alle
Mölichkeiten erwägen, die Hintergründe austüfteln, sämtliche
Ereignisse im Leben der Familie Kennedys in Betracht nehmen, ebenso, daß
der Vater sehr reich war und vieles mehr, und schließlich klar den wahren
Sinn der Worte auslegen. All das nimmt natürlich Zeit in Anspruch. Trozdem
- um sicher zu gehen - beschließ ich nach zwei Stunden, den Laden anzurufen.
Kein Grund, Unwissen zu demonstrieren. Am besten erkundige ich mich wie ein
Techniker beim andern über ein kleines Problem.
"Wie lang ist die Reaktionszeit dieses Computers?" Meisterhaft formuliert!
"Nun, Sie haben einen 386er gewählt. Die sind am heutigen Standard
gemessen etwas langsam."
"Das hab ich natürlich gemerkt!" Gut, gut so redet ein Fachmann!
" Wenn Sie also mit einem Windowprogramm arbeiten, kann es mitunter eine
Verzögerung von drei Sekunden ergeben."
Drei Sekunden! Von was redet er? "Na, ich habe da ein etwas kompliziertes
Programm geschrieben und bis jetzt rührt sich nichts!"
"Da müssen Sie wohl einen logischen Fehler im Programm haben. Vielleicht
haben Sie vergessen, 'Enter' zu drücken; hahaha, das ist natürlich
ein Witz. Also versuchen Sie noch einmal, wenns dann nicht klappt, komm ich
rüber."
So das ist es! Wie geschickt ich so langsam die Handhabung des Gerätes
aus ihm rauspople. Jetzt bemerke ich den großen Knopf auf der rechten
Seite, auf welchem 'Enter' und ein Pfeil zu sehen sind. Ich drücke ihn.
Sofort erscheint ein kurzer Satz unter meiner Formel:
SYNTAX ERROR
OK
Ich fühle mich von einer unbeschreiblichen Euphorie erfüllt; (deswegen
beschreibe ich sie nicht) :Der Computer hat mir geantwortet! Ich habe mein erstes
erfolgreiches wissenschaftliches Programm komponiert! Aus dem Lexikon ersehe
ich, daß 'Syntax' die Zusammenstellung und Beziehung der Worte in Phrasen
und Sätzen bedeutet, und 'error' heißt 'Irrtum'.
Wie seltsam und komisch! Das bedeutet also, daß der arme Kennedy einen
völlig falschen Satz zusammengestellt hat, und alle diese Berliner haben
dazu gejubelt. Mir kam das immer schon verdächtig vor. Er war weder in
Deutschland geboren, noch hatte er je in Berlin gelebt. Aber ansonsten ist er
OK. Find ich auch. Aber mir und meinem Computer kann niemand etwas vormachen!
Weiter. Wollen wir mal sehen, wie man Atombomben baut. Das hat ja der alte Einstein
in seiner Formel E = mc² ganz deutlich erklärt. Jetzt braucht man
nur noch herausfinden, was das bedeutet. Man muß nur die Frage wissenschaftlich
formulieren. Also tippe ich: "Was bedeutet E = mc2?" und drücke
'Enter'
SYNTAX ERROR
OK
Haste Worte! Auch Einstein hat sich geirrt! Und er hat sein ganzes Wissen auf
diese Formel begründet! Also gibt es die Atombombe garnicht! Hier ist der
Beweis. Wird das eine Sensation! "Computerwissenschaftler (hier mein voller
Name) beweist nach gründlichen Forschungen die Falschheit der Realitätstheorie!"
Vom Treppenhaus her vernehme ich die Stimme Erans, ein Nachbarsohn, zwölf
Jahre alt, ein Schlingel, aber sehr intelligent. Ich rufe ihn herein. Er wird
meine neuerworbene Intellektualität zu würdigen wissen. Außerdem
ist es die Pflicht eines erwachsenen Gelehrten die Jugend zu lehren. So wie
Sokrates. Natürlich hat er noch keine Ahnung, um was es sich bei diesem
Wunderding handelt und ich werde ihm alles Schritt für Schritt beibringen.
"Eran," erkläre ich ihm, "schau, das ist ein Computer 386.
Setz dich mal her und ich werde dir genau erklären, was das bedeutet."
Seine Unterlippe verzieht sich verächtlich. "N' 386er! Warum nicht
mindestens einen 486er wie jeder andere? Wieviel RAM hat er denn? Was haste
denn für Disketten? Was fürne Resolution hat der Monitor?
Was faselt er da? Naja, er ist ja erst zwölf Jahre alt und hat noch die
Sprache der Kinderbücher im Kopf. Ich lächle väterlich.
"Wechsel nicht das Thema! Weißt du, was man damit alles berechnen
kann?"
"Was?"
Man sollte nicht glauben, wie blöd dieser Schwachkopf ist.
"Zum Beispiel kann ich genau berechnen, wieviel Treibstoff man zum Mars
braucht!"
"Na, gut, berechne!"
Ich tippe die wissenschaftliche Formel 'Wieviel Treibstoff zum Mars?' Mit der
lässigen Geste eines erfahrenen Programmers drücke ich auf 'Enter'.
SYNTAX ERROR
OK
Hey! Irgendwas ist nicht in Ordnung. Er hat noch die Antwort von der Realitätstheorie
in sich! Ich drücke 'Enter' mehrere Male und bekomme jedesmal die gleiche
Antwort.
"Du hast die Frage wahrscheinlich falsch gestellt!"
Ich werde nervös. "Belehr mich nicht, mit Computern umzugehen!"
Ich tippe 'Benzin von Erde zu Mars, bitte!' (vielleicht hilft Höflichkeit)
'Enter'.
SYNTAX ERROR
OK
Ein paar Schweißtropfen erscheinen auf meiner Stirne. Er macht Fehler
und findet das OK! Ich werde mal den Laden anrufen. Der Mann ist überrascht,
als ich ihm erkläre, daß sein Computer voller Fehler sei, aber er
macht sich sofort auf den Weg zu mir.
Nachdem ich ihm das Problem erklärt habe, wird er krebsrot und scheint
Mühe zu haben, zu atmen. Ich verstehe, daß er sich schämt und
tief betroffen ist, mir so ein Ding angedreht zu haben. Endlich findet er seine
Muttersprache zurück:
"Bevor Sie beschließen, daß der Computer Fehler macht, sollten
Sie erst einmal ein paar Grundkenntnisse über das Thema haben, anstatt
mich herzurufen! Kommen Sie mit mir in meinen Laden und wühlen Sie ein
paar Bücher für Anfänger aus!"
Ich koche innerlich. All das im Beisein des grinsenden Erans!
Im Laden angelangt legt er mir eine Auswahl vor. "Gerade richtig für
Sie!"
Ich betrachte die Titel: 'Computer für Idioten', 'Basicprogrammierung für
Dofköpfe'.
Ich starre ihn an. Diese Unverschämtheit! Am Ende gebe ich mich mit 'Basic
für Anfänger' zufrieden.
"Ich hoffe das klingt Ihnen nicht Chinesich!" grinst er frech. Ich
verlasse das Geschäft in hochmütiger Haltung.
Zu Hause fange ich an, das Buch durchzublättern. An einer
Stelle sagt es: 'Auf den meisten Computern kann man Basic starten, indem man
einfach "BASICA" oder "GWBASIC" beim DOS Prompter tippt.
Obwohl es in der DOS file liegt, ist der Path in der AUTOEXEC BATCH FILE deklariert
und ist somit während des Bootings gespeichert.'
Warum können die nicht eine einfache Sprache wie Sanskrit benutzen? Na
gut, auf alle Fälle, es sagt, man soll BASICA tippen. Versuchen wir's mal!
Es wird immer schlimmer! Jetzt steht da
Bad command or file name
OK
Muß man schon wieder das Wörterbuch vornehmen.
So ein Blödsinn! Das bedeutet 'Böser Befehl oder Feile Name'.
Ich hab wirklich nichts Böses gemeint, das steht doch so im Buch; und wenn
es böse ist, warum ist es dann OK?
Versuchen wir mal das andere Wort: GWBASIC:
Schau da! Jetzt bin ich wieder zurück beim vertrauten alten GWBASIC Bildschirm.
Mein Selbstvertrauen steigt. Ist ja alles gar nicht so kompliziert!
Wie weiter? Wer hat Geduld, das ganze Buch durchzulesen! Auf Seite 8 erspähe
ich das erste Beispiel von einem Programm. Sieht interessant aus. Ich kopiere
es auf den Bildschirm:
10 PRINT "IBM COMPUTER;"
20 GOTO 10
Ich habe, wie vorgeschrieben, nach jeder Linie auf 'Enter' gedrückt aber
nichts passiert. Aha, hier steht 'Schreibe 'Run' oder presse F2 um das Programm
zu starten. Ich entschließe mich für F2, drücke es schnell und
spring zur Seite, nur sicherheitshalber.
Mit unglaublicher Geschwindigkeit erscheint eine Linie
IBM COMPUTER IBM COMPUTER IBM COMPUTER IBM COMPUTER IBM COMPUTE
Ein Wunder! Der Bildschirm füllt sich in Windeseile mit Linie nach Linie.
In knapp einer Sekunde haben diese den unteren Teil erreicht. Als kein Platz
mehr da ist, klettern alle Linien blitzschnell nach oben, die alleroberste verschwindet,
wer weiß wohin und eine neue formt sich unten. Und das alles in endloser
Wiederholung. Ich starre fasziniert, während Battalionen von IBM COMPUTERn
vorbeidefilieren.Aus irgend einem Grunde drängt sich in mein Gehirn die
mitreißende Musik von 'Bolero'. Wuchtige Töne schwellen in immer
neuen Variationen und in endloser Wiederholung auf und ab. Wann wird alles endlich
aufhören? Die Platte in meinem Kopf ist abgelaufen, aber der Marsch auf
dem Bildschirm geht weiter. Dann fängt auch der 'Bolero' von vorne an.
Ich muß das alles stoppen! Ich tippe 'STOP' aber die marschierenden Kolonnen
von IBM COMUTERn lassen nichts anderes auf dem Monitor erscheinen. Ich habe
die Kontrolle über das Ding verloren!
Eine Schreckens-Sciencefiction Novelle ist Wirklichkeit geworden. Ich gerate
in Panik. Wen ruft man in solch einem Notfall? Die Feuerwehr? Gibt es vielleicht
eine Computer Notrufstelle? Die Musik steigert sich zu einem unausstehlichen
Crescendo.
"Eran", rufe ich laut in die Richtung der nachbarlichen Wohnung "komm
schnell!" Ich weiß nicht, was ich mir von diesem Lümmel erwarte,
aber es gibt Situationen, da man sich an den bekannten Strohhalm klammert.
"Schau", schrei ich dem Herbeigeeilten zu "was er macht!"
Eran starrt ungläubig auf den Monitor. "Das kann
er doch nicht von alleine getan haben!"
"Immer diese unnützen Diskussionen. Er muß gestoppt werden bevor..."
"Bevor was?"
Ja, was wirklich? Dieses Ding könnte sich zum Beispiel mit IBM COMPUTERn
auffüllen und anfangen überzulaufen. Ein Gedicht von irgend jemand
aus der Schulzeit kommt mir in den Sinn: 'Die Geister, die er rief, er ward
sie nicht mehr los' oder so ähnlich. Entsetzlich sich vorzustellen, wie
eine See von Buchstaben unhaltbar steigt, Dörfer überflutet...
Eran hat unterdessen den Apparat untersucht und den Schalter gefunden. Klicks!
Es ist aus! Herrliche Ruhe! Der Bolero stoppt! Die Welt ist gerettet! Erschöpft
setze ich mich auf mein Sofa. Ruhe, Frieden!
Frieden?
"Was passiert, wenn wir ihn wieder anschalten?"
Bevor ich ihn daran hindern kann, hat er den Knopf gedrückt. Zitternd erwarte
ich, was geschehen wird. Worte rasen vorbei verschwinden auf der Oberseite.
Endlich hält es. Dem Himmel sei Dank, es sind nicht die IBM COMPUTER; nur
das komische C>:
Der Bengel kann sich nicht verbeißen, mit einem zynischen "mit ein
bißchen Überlegung geht alles" zu verschwinden.
Ich knirsche mit den Zähnen. Er wird noch seine Worte bereuen, wenn er
mich erst einmal Computerwunder vollführen sieht!
Am nächsten Morgen beherrsche ich die Computersprache
vollkommen. Ich habe gerade zum zwanzigsten Mal das Programm eingetippt, rennen
lassen und jedes Mal abgeschaltet, wenn die IBM COMPUTER-Battalione zu selbstsicher
wurden, als Eran mit einem Freund erscheint.
"Joram hat 'n paar prima Spiele mitgebracht. Hatse von seinem Cousin kopiert.
Ich glaube du hast noch keine. Wir werden se dir kopieren. Wir haben auch 'nen
Joystick mitgebracht. Kein Computer funktioniert ohne sowas."
"Ich arbeite gerade an einem Programm", erkläre ich würdevoll.
"Damit de wieder stecken bleibst wie gestern?" Er stupst Yoram mit
dem Ellenbogen. Der grinst. Ich fühle wie ich erröte. Das wird sich
jetzt in der gesamten Nachbarschaft rumsprechen! Meine schwer erworbene Wissenschaftler-Aura
ist in Gefahr!
Joram setzt sich mit der Selbstsicherheit eines Experten vor den Computer. Er
steckt eine kleine Diskette in den Ritz, tippt etwas, fummelt etwas herum, der
Bildschirm flimmert, bunte Worte erscheinen, die schließlich von beweglichen
Bildern abgelöst werden: Zwei starke Männer bearbeiten sich gegenseitig
mit Fäusten, Füßen, Hochsprüngen und wasimmer. Ich beobachte
fasziniert, wie der Junge den sogenannten 'Joystick' hantiert. Nach einer Weile
begreife ich, daß er die Bewegungen des Kämpfers in der grünen
Kleidung leitet. Der rote Kerl erhält einen Tritt oder Boxschlag um den
anderen, liegt öfters auf dem Boden, während das dem grünen sehr
selten passiert. Joram's Punkte steigen rasend. Das Bild verändert sich.
Eran erklärt mir, daß er eine höhere Stufe erreicht hat. Aber
schließlich, nach mehreren weiteren Stufen geht seine Erfolgssträhne
zu Ende.
"Ich bin dran", erklärt Eran.
"Einen Moment", unterbreche ich. Ich habe unterdessen sowohl das Prinzip
des Spieles, als auch die Schwächen des Spielers erfaßt. Mit korrekter
Manipulation kann man bedeutend höhere Resultate erzielen.
"Du reagierst nicht schnell genug", erkläre ich, "der untere
Teil des Handballens muß stärker auf die Basis des Joysticks drücken,
dann kannst du diesen mit flotteren Bewegungen hantieren. Paß auf!"
Die beiden achten intensiv auf jede meiner Bewegungen, bereit ihre Geschicklichkeit
zu steigern. Ein paar geschickte Bewegungen und der Kerl liegt am Boden. "Seht
ihr", sage ich lässig.
"Das ist deiner, der unten liegt!" rufen sie gemeinsam.
In der Tat, sehe ich jetzt, ist der Grüne der Unterlegene.
"Genau das ist, was ich euch zeigen wollte. Das passiert, wenn ihr euch
nicht konzentriert! Aber jetzt passt mal auf!" Ich konzentriere mich so
stark, daß ich zu schwitzen anfange. Und siehe, es funktioniert: Der Rote
muß mehr als fünf Sekunden schwer arbeiten, bis er wieder Glück
hat.
"Nummer zwei!" schreien die Ekel. Ich werfe einen verachtungsvollen
Blick in ihre Richtung und mein Mann liegt schon wieder.
"Nummer drei und du bist fertig!"
"Nein, das war nur zur Aufwärmung", erkläre ich, "jetzt
passt mal auf!"
"Das kannst Du uns zeigen, wenn du wieder an der Reihe bist!"
Da haben sie schon Recht. Faires Benehmen ist der Grundfaktor, wenn man der
Jugend als Beispiel vorangehen will.
Ich habe viel Zeit bis ich wieder an der Reihe bin. Joram, zum Beispiel, arbeitet
sich durch alle zwölf Szenen und fängt das Spiel von vorne an. Aber
nachdem er das ganze dreimal durchgespielt hat, macht er wieder einen typischen
Fehler und muß raus. So ähnlich geht es Eran. Endlich bin ich dran,
und da ich genug Zeit hatte, das Spiel gründlich zu studieren, kann ich
nun den beiden eine gründliche Lektion erteilen...
Naja, diese Spiele sind eigentlich sehr kindisch und ihre Beherrschung beweist
gar nichts. Ich werde die beiden heute spielen lassen und morgen mein Programmieren
ernsthaft betreiben.
Um 6.45 klingelt es an meiner Tür. Verschlafen blicke
ich auf Eran und Joram. Eran's Schwester wartet schüchtern, aber mit erwartungsvollem
Blick im Hintergrund.
"Wir wollen nur Mirjam den Computer zeigen."
Genug ist genug. Ich mache den Eindruck eines gutmütigen Kerls, aber in
mir steckt ein harter Kern. Wenn ich etwas beschlossen habe, kann nichts mehr
meinen Willen ändern.
"Wir machen jetzt eine längere Pause! In drei, vier Wochen könnt
ihr mal wieder vorbeikommen!"
Das kleine Mädchen bricht in Schluchzen aus. Naja, 'ne halbe Stunde kann
ich ihnen ja genehmigen.
Im 1 Uhr mittags entschuldigt sich die Bande. Ihre Mütter erwarten sie
zum Essen.
Ich bin in das nächste faszinierende Programm des Buches vertieft, als
die Rotte mit gefüllten Mägen zurückkehrt. Mirjam hat ihre Freundin
Jutta mithergeschleppt und die Kleine blickt auf mich mit ängstlichem,
herzzerreißendem Blick. Dem Herz geschieht, was das Luder geplant hat,
und wir haben ein neues Mitglied.
Man muß die Kinder einmal richtig austoben lassen. Ich verstehe etwas
von Psychologie: Alles, mit was man sich lange Zeit beschäftigt, wird einem
schließlich überdrüssig. In der Tat sieht man ihnen die Erschöpfung
an, als ihre Eltern um 10 Uhr abends anrufen. Jetzt sind ihnen diese monotonen
Fingerbewegungen langweilig geworden und sie möchten zu echten Spielen
zurückkehren, sowie Fußball, Korbball, Verstecken oder mit was sich
auch immer diese Unholde heutzutage die Zeit vertreiben.
Ab morgen hat die Wissenschaft freies Feld!
Kurz nach Mitternacht - genau gesagt, um sieben Uhr morgens
- ertönt Gesang aus Richtung Haustür. Nachdem selbst die über
die Ohren gezogene Decke den Radau kaum verringert, bleibt nichts übrig,
als mich aus dieser herauszuquälen und die Missetäter zu konfrontieren.
Ich habe kaum die Tür geöffnet, als sich meine Hände mit blumenähnlichen
selbstgepflückten, teilweise mit Disteln dekorierten Feldpflanzen, von
den Künstlern mir persönlich gewidmeten Originalminiaturen, und Liebesbriefen
füllen. Fünf unbekannte Rangen warten im Hintergrund geduldig auf
das Ende der Zeremonie. Ich lade die Gäste auf einen kurzen Imbiß
in die Wohnung und entschuldige mich, nur Kekse auf Lager zu haben, da ich nicht
auf den Besuch vorbereitet war.
Leider erweist sich, daß für die sieben zusätzlichen Gäste
der Nachmittagssitzung nicht genug Sitzgelegenheiten vorhanden sind. Aber die
neuen Mitglieder lösen dieses kleine Problem, indem sie kurz verschwinden
und bald darauf mit leeren Orangenkisten zurückkehren. Das bewegt die alten
Mitglieder zu bestimmen, daß von nun an jedes neue Mitglied mit seiner
Sitzgelegenheit zu erscheinen habe. Ich finde das äußerst vernünftig,
und als einige Tage darauf die netten Kinder auch für mich eine Kiste organisieren,
bin ich gerührt über soviel Rücksichtsnahme. Ich stelle meine
ins Badezimmer, da kein anderer Platz mehr frei ist. Bald habe ich ein System
ausgeklügelt, die Kisten um Mitternacht so zusammen- und übereinanderzustellen,
daß ich mich dazwischen einigermaßen frei bewegen kann.
Es kommen schließlich Beschwerden auf, daß die Wartezeit mit jedem
neuen Mitglied unerträglich verlängert wird. Auch dieses Problem ist
bald gelöst, indem ich - gemäß Vorschlägen der Mitglieder
- einen SEGA und einen NINTENDO Apparat , hübsche kleine Arbeitstische
eingeschlossen, erwerbe. Es wird allerdings etwas beengt in der Wohnung, aber
der kollektive Intellekt der Gruppe findet auch hier wieder einen Ausweg. Ein
Teil meiner Möbel muß raus. Die Jungens kennen sogar einen Mann,
der sich mit so etwas abgibt. Dieser kommt, schaut sich drei Stücke im
perfekten Zustand an und schlägt "Vierhundert!" vor. Verrückt,
das ist knapp ein Zehntel von dem, was ich vor nicht allzu langer Zeit dafür
gezahlt habe.
"Nicht unter ein Tausend!" erkläre ich mit Nachdruck.
"Gut,gut", gibt er klein bei. Ich blicke stolz auf meine Gruppe. Ich
habe ich sie etwas von meiner Lebensweisheit gelehrt: Lass dich nie übers
Ohr hauen!
Erst als er das Zeug auf seinen LKW geladen hat, stellt sich raus, daß
die Rede von dem Lohn war, den er für den Abtransport erhält.
Drei Wochen später.
Die Wände meiner Wohnung sind von Originalgemälden vollkommen bedeckt,
und ich sehe mich gezwungen, die talentierten Künstler zu bitten, zu versuchen,
anderweits ihre täglichen Schöpfungen abzusetzen. Anfangs hatte ich
versucht, ein paar der Werke unauffällig in Schubladen verschwinden zu
lassen, um Platz für neue zu schaffen; dies wurde aber sofort bemerkt und
ich konnte die beleidigten Maestros, nur dadurch beruhigen, daß ich erklärte,
daß ich sie zum Einrahmen geschickt hatte. Welcher Behauptung natürlich
die Tat zu folgen hatte. Was logischerweise zur Folge hatte, daß der Rest
der Künstler eine gleiche Achtung ihrer Werke verlangte. Im Laufe der Zeit
grüßte mich der Glaser als sein bester Kunde besonders höflich
und verbiß sich die anfänglichen Bemerkungen über meinen Geschmack.
Hatte auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich Bilder zurückbrachte, nachdem
der gelieferte Rahmen nicht dem Geschmack des Künstlers entsprach. Gab
mir in diesen Fällen sogar Ermäßigung für die zusätzliche
Arbeit.
Ehrlich gestanden fühle ich mich mitunter, wenn ich auf meiner Orangenkiste
im Badezimmer auf meine Reihe warte, etwas von der Welt abgeschlossen. Margalith
hat schon seit Wochen nichts von sich hören lassen. Einmal hat sie angerufen
aber sofort rief sie "Aha, ich höre das Gejaule im Hintergrund!"
und hing ab. Auch meine Freunde melden sich seltsamerweise nicht mehr. Aber
ich habe etwas, was mich für all dieses kompensiert: Ich habe meinen eigenen
Computerklub! Und wie die Kleinen an mir hängen!
"Ich werde mich so nach dir sehnen, wenn du wieder auf See bist",
erklärt eine entzückende kleine Blonde.
Solche Worte berühren mich tief: Wenn ein Erwachsener derart redet, kann
man nie wissen, welche Hintergedanken sie oder er hat. Aber Kinder kennen keine
Falschheiten.
"Wann mußt du wieder auf dein Schiff?"
Ich betrachte kurz die gekachelte Wand hinter mir, um mir diskret eine Träne
aus dem Auge zu wischen. Für die arme Kleine ist schon jetzt der Gedanke,
daß ich sie alle bald wieder auf lange Zeit verlasse, schon jetzt ein
Trauma.
"Beruhige dich," tröste ich sie, "ich bin noch lange zu
Hause!"
"Schade, es ist so schön, sich zu sehnen!"
Ein intelligenter Erwachsener beachtet natürlich nicht das Geplapper von
solch einem Gör.
Eine weitere Woche vergeht. Ich finde, es ist Zeit, etwas Ordnung
in den Klub zu bringen. Es gibt noch zu viel Streitereien, wer an der Reihe
ist; niemand notiert die höchsten Spielergebnisse, und viele andere Kleinigkeiten.
Es liegt an mir, alles neu zu organisieren. Gleichzeitig kann ich ihnen dabei
das demokratische System erläutern.
"Alles herhören," rufe ich im Ton eines Mannes, der zu befehlen
gewohnt ist, von der offenen Badezimmertür in das Wohnzimmer. Das hat das
Ergebnis, daß die Fliege, die sich hereinverirrt hat, erschrocken einen
halben Meter zurücksummt. Alle anderen anwesenden Lebewesen sind momentan
zu beschäftigt.
Aber es gibt Systeme sich bemerkbar zu machen!
"Was soll das?!" heult die Meute, als ich die Sicherung herausgezogen
habe.
"Elektrizität gibt es erst wieder nach den Wahlen!"
"Welche Wahlen?"
"Heute wählen wir eine Kommission, welche Statuten und Regeln entwerfen
wird. Ihre Vorschläge werden Gesetz, nachdem sie von einer Mehrheit der
Mitglieder angenommen werden."
Mein Vorschlag erweckt Interesse. Ich organisiere die Wahl und nach einiger
Zeit haben wir eine Fünferkommission, welche unter sich den rothaarigen
Gerschon als Vorstand wählt. Ich bin stolz auf mein Werk.
"Wir haben Fragen an unseren Manager, bevor wir uns zur Beratung zurückziehen",
wendet sich der Vorstand an mich.
Klar, daß sie den Rat eines lebenserfahrenen Intelligenzlers benötigen,
und ich bin williger Ratgeber.
"Können wir jede Art von Gesetz entwerfen?"
"Solange es sich mit den Angelegenheiten dieses Klubs beschäftigt,
nicht den Gesetzen des Staates oder der Munizipalität widerspricht und
keiner Person körperlichen oder sachlichen Schaden zufügt!" So
habe ich mich mit einem Satz in alle Richtungen abgeschirmt, wie ein erfahrener
Rechtsanwalt.
"Und wenn jemand sich gegen die Statuten oder Regeln vergeht?"
"Er wird ausgewiesen und diese Räume sind ihm auf ewig verwehrt!"
"Giltst du auch als Mitglied?"
"Sicher! Ich bin zwar der Manager aber zur gleichen Zeit auch Mitglied,
und habe somit die gleichen Verpflichtungen wie jedes andere Mitglied!"
Die Kommission zieht sich zur Beratung in mein Schlafzimmer,
aus welchem alle dort Wartenden herausbeordert wurden, zurück. Ich bin
überrascht von der deutlich vernehmbaren Ruhe, welche aus diesem Raum dringt.
Keine Schreie, keine Streiterei! Meine Erklärungen haben einen tiefen Eindruck
bei den Schlingeln hinterlassen.
In der erstaunlich kurzen Zeit von fünfzehn Minuten erscheint die Kommission
mit ihren Vorschlägen. Der Vorsitzende räuspert sich zeremoniell und
erwartungsvolle Ruhe senkt sich über den Raum. Also wird proklamiert:
"Paragraph 1: Der Klub wird unter dem Namen 'Wissenschaftlicher Computerverein'
eingetragen und zukünftig derart genannt."
Er blickt mit einem fragenden Blick auf mich.
"Sehr gut", applaudiere ich, "abstimmen!"
Alle Hände gehen hoch. "Einstimmig, weiter!"
"Paragraph 2: Personen jeglichen Alters, Geschlechtes und Rasse sind berechtigt,
Antrag zur Aufnahme zu stellen."
Einstimmig!
"Zusatz zu Paragraph 2: Umständehalber wird die Anzahl der Mitglieder
über vierzehn Jahre auf eine Person beschränkt."
Haben sie eigentlich recht. Wozu brauch ich noch ein paar Erwachsene hier rumzusitzen
haben.
"Paragraph 3: Alle Mitglieder sind zu einem wöchentlichen Beitrag,
zur Deckung laufender Unkosten, wie neue Spiele, Geräte, Erfrischungen
usw., verpflichtet. Der erforderliche Betrag wird wöchentlich von der Kommission
gemäß den Ausgaben bestimmt."
Einstimmig! Sehr gut! Wir werden einen Klub von hohem Standard, mit Erfrischungen,
Erneuerungen und allem Drumdran haben. Gut, wie sie verstehen, das jeder dazu
beisteuern muß!
"Zusatz zu Paragraph 3: Ausgenommen sind Personen ohne festem Einkommen.
Die benötigte Gesamtsumme wird deswegen gleichmäßig unter alle
Gehaltsempfänger verteilt."
Bevor ich das richtig mitgekriegt habe, habe ich dafür gestimmt.
"Einen Moment", brülle ich gleich darauf, jählings die Auswirkungen
des Beschlusses begreifend, "ich weigere mich, diesen Zusatz anzuerkennen!"
Kurze Beratung am Tisch der Kommission "Verweigerung angenommen",
erklärt der Vorsitzende schließlich, "das Mitglied kann seine
Zustimmung zurücknehmen, hat jedoch den Beschluß der Mehrheit anzunehmen.
Zusatz zu Paragraph 3 angenommen!"
Mein Kopf dreht sich. Bis jetzt hatte ich schon mal ab und zu ein paar Kekse
oder Bonbons angeboten. Ihre Spiele hatten verschiedene Mitglieder selber mitgebracht.
Aber jetzt ist es etwas anderes. Ich versuche auszurechnen, wieviel solch eine
Bande verdauen und verjubeln kann, wenn es mal pflichtgemäß frei
geliefert wird.
"Paragraph 4: Der Klub dankt dem gegenwärtigen Manager für seine
Bemühungen und Leistungen, sieht es aber als vorzuziehen an, einen jüngeren
Manager, welcher die Probleme der Mehrheit besser verstehen kann, einzusetzen."
Angenommen, mit nur einer Gegenstimme!
Der Vorstand erhebt sich. "Ich erkläre hiermit alle vorgeschlagenen
Paragraphen und Zusätze als einstimmig oder mit überwältigender
Mehrheit angenommen. Die Wahl des neuen Managers findet nach der Mittagspause
statt." Alle stürmen ins Treppenhaus.
Langsam begreife ich den vollen Greuel, der sich gerade entwickelt hat: Ich
bin nicht nur zu einem unwichtigen Mitglied des Klubs degradiert worden, ich
habe auch alle seine von nun an weit erhöhten Ausgaben zu decken! Bald
werden sie mich aus meiner eigenen Wohnung werfen!
NEIN! Ich habe die Grenze meiner Geduld erreicht! Niemand kann mich zwingen,
diesem Gesindel meine Wohnung zu überlassen! Ich werde ihnen den Eintritt
in meinen Lebensraum verweigern! Notfalls werde ich den besten Rechtsanwalt
engagieren! Oh, werden die überrascht sein!
Es klingelt! Mit zwei langen Schritten bin ich an der Tür, reiße
sie auf: "Verschwindet ihr..."
Draußen stehen etwa zwanzig Damen, einige mit Blumen beladen. Eine von
ihnen, ich glaube es ist die Mutter des Vorstandes, spricht mich an: "Wir
haben uns zusammengetan um Ihnen zu danken, für das, was Sie für unsere
Kinder tun! Es ist solch ein Glück, sie unter der Obhut solch eines Hochintellektuellen
zu wissen! Und wir Eltern haben noch nie derart ruhige Sommerferien gehabt.
Von morgens bis spät kommen die Süßen nur kurz zum Essen nach
Hause. Mein Gatte und ich können das erste Mal seit Jahren das Leben genießen!"
Allgemeiner Applaus! "Und wie begeistert sie Computer lernen! Mein Sohn
ist vollkommen verändert, seitdem er Ihre Lektionen besucht. Vorher dachte
er nur an Fußball und Spielen. Jetzt redet er, bevor er ins Bett geht,
nur von Computern. Und mit was für wissenschaftlichen Namen er um sich
wirft: 'Zork, Tetris, Blitzer, Dungeons' und ich weiß was alles. Er wird
noch ein Professor werden! Wir wollen einen Brief an den Bürgermeister
schreiben, daß er es Kindern, die weiter weg wohnen auch ermöglicht,
ihr Institut zu besuchen. Nun wollen wir sie aber nicht länger aufhalten.
Ich höre, Ihre Klasse kommt zurück. Paßt gut auf, was der Professor
euch lehrt", ermahnt sie die heraufbrausenden Horden, "aber"
zwinkert sie mir zu, "ich glaube es ist nicht nötig, ihnen das zu
sagen.". Damit kehren sie alle zu ihren friedlichen Wohnungen zurück
und lassen mich mit blumenvollen Händen stehen.
Für alles gibt es eine Lösung. Ich habe eine Einzimmerwohnung,
nicht weit von meiner Eigentumswohnung, gemietet. Nur sieben Minuten mit dem
Autobus. Hab mir auch einen Computer angeschafft. Sehr billig, aus zweiter Hand.
Etwas altmodisch - jemand spottete, das Modell davor sei aus Stein gewesen -
aber er funktioniert. Ich habe ein einfaches Bett, Tisch und Stuhl. Das ist
alles was ich brauche. Zweimal die Woche gehe ich in die andere Wohnung, den
Kühlschrank auffüllen. Die Kinder sind sehr freundlich. Die, die im
Treppenhaus warten, lassen mich meistens sofort durch, allerdings schicken sie
jemand mit, aufzupassen, daß ich nicht außer der Reihe spiele. Der
neue Manager informierte mich, daß die Klubgebühren erhöht wurden,
wegen Inflation und den vielen neuen nicht-zahlpflichtigen Mitgliedern usw.
Es klopft an meiner Tür. Draußen steht ein Ehepaar. Sie hält
einen Teller mit einem Stück Kuchen.
"Guten Tag, wir wohnen Ihnen gegenüber. Wollten nur mal schnell unseren
neuen Nachbar begrüßen und meinen Kuchen kosten lassen."
Ich lade sie herein. Nach so langer Zeit, ist es nett, mal wieder mit Erwachsenen
zu reden. Nettes Paar.
"Oh", sagt sie, den Computer bemerkend "ich sehe Sie sind ein
Wissenschaftler!"
Welch scharfsinnige Frau!
Sie betrachtet den Monitor, auf welchem ich eine komplizierte Formel aus dem
Buch kopiert habe.
10 m = 380000
20 Print "Der Mond ist ";m;" Meilen von der Erde entfernt"
"Ach", erkläre ich bescheiden "ich führe ein paar astronomische
Berechnungen aus."
Beide sind tief beeindruckt. Ich war schon lange nicht mehr in so guter Stimmung.
"Da habe ich eine Idee. Sehen Sie, wir haben fünf Kinder", sagt
die Frau stolz, "wunderbare, kluge Kinder. Und sie möchten alle so
gerne einen Computer haben, aber", seufzt sie "wir können uns
das nicht leisten. So dachte ich, vielleicht können sie ab und zu mal bei
Ihnen vorbeikommen, natürlich nur, wenn Sie Zeit haben...Um Himmels Willen,
was ist passiert!? Benni, schnell ruf'n Notarzt!"